Zwischen Selbstwahrnehmung & Wohlbefinden, der queeren Wiener Szene und dem Mainstream-Partyvolk liegen Welten.
Insofern war der gestrige Abend eine turbulente Reise.
Startschuss war die Entscheidung zum Villa-Fest zu gehen [Anm.: Rosa
Lila Villa Wien]. Das ganze hatte das Motto „Truck Stop“, von dem ich
natürlich – wie fast immer – nix
mitgekriegt hab. Ich war as usual way overdressed und diesmal noch viel
extremer, weil die Mehrheit sich dem Motto angepasst gekleidet haben
oder die Butches bzw. alle einem ähnlichen Typus gleichenden Lesbitäten
nicht besonders aufgefallen sind. Not me und diesmal war´s phasenweise
unangenehm. Wo hin mit der Femme, die viel zu viel auffällt? In letzter
Zeit fand ich immer mehr Spaß darin, meine „Femininität“ und mein Faible
für den Kleidungsstil der 20er oder 50/60er nach außen zu tragen. Eine
Mischung aus Polka Dots, dominantem Schwarz und knalligem Rot meistens.
Gestern war ich allerdings mehr in strenger Schwarzstimmung, am liebsten
wäre ich in meinem Lederimitatkleid gegangen, das war mir aber viel zu
heiß. Also doch das 20er Jahre Kleid, darunter einen 50er Miedergürtel
und Strapse, spitze Stöckelschuhe dazu (und Ballerinas zur Reserve, ich
quäl mich doch nicht!). [Ich muss dazu sagen, ich habe schon immer Wert
auf schöne Unterwäsche gelegt, selbst in meinen butchigen Tagen.]
Das Kleid ist relativ kurz und überdeckt noch gerade rechtzeitig der
Ansatz des Strumpfsaumes. Anfangs unsicher ob der Grenze zwischen sexy
und was als „billig“ gilt. Resumée: gewagt, aber ein wirklich gutes
Gefühl, selbstbewusst. Rausgestöckelt. Wieder mal hab ich mir nicht die
einfachste Präsenz ausgesucht.
Der Weg zur Villa dauert gute 40
Minuten und hat mich schon mal etwas verunsichert. Vielleicht doch zu
viel Sichtbarkeit. Vielleicht doch lieber in Zukunft meine Faibles und
meinen Wunsch nach erotischem Outfit in sichereren oder intimeren
Bereichen ausleben und die Strapse nur unter einem langen Kleid
anziehen. Quasi als Anreiz für mich, die weiß was drunter ist. Oder für
die Person, die sie erfühlt. In der Villa angekommen bekam ich auch
positive Blickreaktionen, aber durchaus auch irritierte. Immer wieder
merke ich, dass mich die Eintönigkeit des nicht-geschlechterkonformen
Auftretens ausgeschlossen fühlen lässt. Wirkt es so als würde ich den
Geschlechtervorstellungen entsprechen? Selbst wenn meine Femininität
„konform“ wäre – was ich nicht finde – so ist es immer noch was anderes
als dicke Frau mit nem Minikleid, Strapsen und Pumps durch die Gegend zu
laufen, und noch was anderes wenn es eine dicke
queere/lesbische/pansexuelle Frau* ist. Ich bin wieder mit dem Gefühl
rausgegangen: wäre ich nicht schon in Beziehungen, sondern wäre ich auf
der Suche nach Sexpartner_innen, würde ich da jemals überhaupt eine_n
finden? Würde irgendjemand von den Butches, Femmes, Babydykes,
genderqueers und Trans*leuten irgendwas an mir finden? Leute, die mich
näher kennen, meinen dann immer, meine Präsenz wäre so stark und würde
andre einschüchtern. Really? Ist es das Wagnis zum Ich - als dicke Frau
mit viel Schminke, lautem Organ, offener Sexualität? Really? What is it?
Manchmal würde ich gerne Gedankenlesen können. Ob da nur große
Fragezeichen herumschwirren, Irritation, Ablehnung, Desinteresse oder
tatsächlich Einschüchterung.
Nach ein paar Stunden reicht mir das
Ganze. Ich bin müde, hab ein paar Runden getanzt, zu guter Letzt zu
Florence and the Machine´s „Dog days are over“ - könnte nicht besser
sein.
Der Heimweg war dann auch ein kurzer Sprung in die
Vergangenheit. Betrunkene, laute Leute in der Ubahn. Auf der Rolltreppe
telefonierend steht ganz knapp hinter mir ein Typ, auf der Rolltreppe
daneben seine Freund_innen. Sie lachen, drehen sich weg, lachen weiter,
der Typ fängt an mich anzuschreien während ich telefoniere. Beschämt
versuche ich nicht hinzuhören. Ich höre nur „weit unten“ und schallendes
Gelächter. [Anm.: mein Strapssaum oder Band oder was auch immer scheint
wohl sichtbar gewesen zu sein.] Ich schlage einen anderen Weg ein, es
wird weiter gerufen und gelacht. Am Telefon selbst rede ich darüber und
merke wie sehr es mich noch immer trifft wenn Leute über mich lachen,
wie damals in der Schule als ich gemobbt wurde. Wie viele Menschen, die
ausgelacht, abschätzig behandelt werden oder sonst wie ihr
Selbstbewusstsein ruiniert bekommen. P* fragte mich ob ich von solchen
Leuten akzeptiert werden will. Nein! Mir ist völlig egal ob sie mich
akzeptieren. Sie sollen mich mit Respekt und Anstand behandeln oder mich
zumindest in Ruhe lassen. Sie müssen mich nicht anschauen, wenn sie es
nicht aushalten. Leute anzupöbeln und auszulachen, weil sie etwas nicht
sind, nicht können oder nicht haben, was der Mainstream als normal
versteht, in der Warteschlange vor der Kassa jemanden anzufahren, in der
vollen Ubahn jemanden anzurempeln, Dicke als Ekelpakete angewiedert
anzustarren, Frauen zu objektifizieren und zu sexualisieren, Behinderte
als bemitleidenswerte Kreaturen entweder zu ignorieren oder zu
bevormunden, den Blickkontakt mit People of Colour zu meiden, Menschen
mit Mitgrationshintergrund in gebrochenem Deutsch anzusprechen - das
alles ist nicht respektvoll und anständig. Es macht klein, es beschämt,
es tut weh, es kränkt, es macht unsichtbar, manchmal auch viel zu
sichtbar. Den Rest meines Heimweges hatte ich mein Tuch umgebunden,
dadurch habe ich mich beschützt und sicher gefühlt. Und ich bin wieder
bei mir angekommen.
Heute spüre ich wieder meine Wut und ich bin so
froh darüber! Ich bin bin froh, dass ich ein Netzwerk habe, das mich
hält und mich liebt wie ich bin und meine Extravaganzen als Bereicherung
versteht. Ich bin froh, dass ich keine dieser kleinkarierten,
bornierten, hasserfüllten und gemeinen Menschen brauche, will oder habe.
Ich nehme meinen fetten, schwabbeligen Körper packe ihn in ein
Kleidungsstück, das mir gefällt (oder auch nicht, wenn ich so will!),
Querstreifen, Riesenpunkte, kurz bis zum Po oder ausgeschnitten bis zum
Bauchnabel, haarige Beine wenn ich´s so mag, BH-frei wenn sich´s gut
anfühlt für mich und raus damit!! Ich schulde niemandem irgendwas.
Der gestrige Abend hat mir gezeigt wie schwer es ist bei sich zu
bleiben, wie weit ich schon gekommen bin und wie schön es ist, sich im
eigenen Körper ein Zuhause zu machen. Wie immer ihr euch wohl fühlt in
bestimmten oder ohne Klamotten, own it! Es ist euer Körper, euer
Wohlbefinden, euer Stil, euer verdammtes Recht so rumzulaufen wie ihr
wollt! Gerade jetzt im Sommer ist das eine große Herausforderung immer
bei sich zu bleiben, finde ich. Genießt eure Körper mit allem was sie
haben und sind! Jeder eurer Körper ist wunderbar. Ihr habt Atem in euren
Lungen, Blut in euren Adern, Liebe in eurem Herzen – das Leben ist
einmalig, schön und ihr verdient es zu genießen! Und morgen wenn ich zur
Arbeit geh, werde ich genau das tun: ich werde tief einatmen, meinen
Körper durch die Stadt tragen und mich wohl damit fühlen. So far so
good. Der nächste Beitrag kommt bestimmt.