7/07/2014

Achtung: dominantes Nilpferd mit Strapsen auf Wiener Straßen gesichtet!

Zwischen Selbstwahrnehmung & Wohlbefinden, der queeren Wiener Szene und dem Mainstream-Partyvolk liegen Welten.

Insofern war der gestrige Abend eine turbulente Reise.
Startschuss war die Entscheidung zum Villa-Fest zu gehen [Anm.: Rosa Lila Villa Wien]. Das ganze hatte das Motto „Truck Stop“, von dem ich natürlich – wie fast immer – nix mitgekriegt hab. Ich war as usual way overdressed und diesmal noch viel extremer, weil die Mehrheit sich dem Motto angepasst gekleidet haben oder die Butches bzw. alle einem ähnlichen Typus gleichenden Lesbitäten nicht besonders aufgefallen sind. Not me und diesmal war´s phasenweise unangenehm. Wo hin mit der Femme, die viel zu viel auffällt? In letzter Zeit fand ich immer mehr Spaß darin, meine „Femininität“ und mein Faible für den Kleidungsstil der 20er oder 50/60er nach außen zu tragen. Eine Mischung aus Polka Dots, dominantem Schwarz und knalligem Rot meistens. Gestern war ich allerdings mehr in strenger Schwarzstimmung, am liebsten wäre ich in meinem Lederimitatkleid gegangen, das war mir aber viel zu heiß. Also doch das 20er Jahre Kleid, darunter einen 50er Miedergürtel und Strapse, spitze Stöckelschuhe dazu (und Ballerinas zur Reserve, ich quäl mich doch nicht!). [Ich muss dazu sagen, ich habe schon immer Wert auf schöne Unterwäsche gelegt, selbst in meinen butchigen Tagen.]
Das Kleid ist relativ kurz und überdeckt noch gerade rechtzeitig der Ansatz des Strumpfsaumes. Anfangs unsicher ob der Grenze zwischen sexy und was als „billig“ gilt. Resumée: gewagt, aber ein wirklich gutes Gefühl, selbstbewusst. Rausgestöckelt. Wieder mal hab ich mir nicht die einfachste Präsenz ausgesucht.
Der Weg zur Villa dauert gute 40 Minuten und hat mich schon mal etwas verunsichert. Vielleicht doch zu viel Sichtbarkeit. Vielleicht doch lieber in Zukunft meine Faibles und meinen Wunsch nach erotischem Outfit in sichereren oder intimeren Bereichen ausleben und die Strapse nur unter einem langen Kleid anziehen. Quasi als Anreiz für mich, die weiß was drunter ist. Oder für die Person, die sie erfühlt. In der Villa angekommen bekam ich auch positive Blickreaktionen, aber durchaus auch irritierte. Immer wieder merke ich, dass mich die Eintönigkeit des nicht-geschlechterkonformen Auftretens ausgeschlossen fühlen lässt. Wirkt es so als würde ich den Geschlechtervorstellungen entsprechen? Selbst wenn meine Femininität „konform“ wäre – was ich nicht finde – so ist es immer noch was anderes als dicke Frau mit nem Minikleid, Strapsen und Pumps durch die Gegend zu laufen, und noch was anderes wenn es eine dicke queere/lesbische/pansexuelle Frau* ist. Ich bin wieder mit dem Gefühl rausgegangen: wäre ich nicht schon in Beziehungen, sondern wäre ich auf der Suche nach Sexpartner_innen, würde ich da jemals überhaupt eine_n finden? Würde irgendjemand von den Butches, Femmes, Babydykes, genderqueers und Trans*leuten irgendwas an mir finden? Leute, die mich näher kennen, meinen dann immer, meine Präsenz wäre so stark und würde andre einschüchtern. Really? Ist es das Wagnis zum Ich - als dicke Frau mit viel Schminke, lautem Organ, offener Sexualität? Really? What is it? Manchmal würde ich gerne Gedankenlesen können. Ob da nur große Fragezeichen herumschwirren, Irritation, Ablehnung, Desinteresse oder tatsächlich Einschüchterung.
Nach ein paar Stunden reicht mir das Ganze. Ich bin müde, hab ein paar Runden getanzt, zu guter Letzt zu Florence and the Machine´s „Dog days are over“ - könnte nicht besser sein.
Der Heimweg war dann auch ein kurzer Sprung in die Vergangenheit. Betrunkene, laute Leute in der Ubahn. Auf der Rolltreppe telefonierend steht ganz knapp hinter mir ein Typ, auf der Rolltreppe daneben seine Freund_innen. Sie lachen, drehen sich weg, lachen weiter, der Typ fängt an mich anzuschreien während ich telefoniere. Beschämt versuche ich nicht hinzuhören. Ich höre nur „weit unten“ und schallendes Gelächter. [Anm.: mein Strapssaum oder Band oder was auch immer scheint wohl sichtbar gewesen zu sein.] Ich schlage einen anderen Weg ein, es wird weiter gerufen und gelacht. Am Telefon selbst rede ich darüber und merke wie sehr es mich noch immer trifft wenn Leute über mich lachen, wie damals in der Schule als ich gemobbt wurde. Wie viele Menschen, die ausgelacht, abschätzig behandelt werden oder sonst wie ihr Selbstbewusstsein ruiniert bekommen. P* fragte mich ob ich von solchen Leuten akzeptiert werden will. Nein! Mir ist völlig egal ob sie mich akzeptieren. Sie sollen mich mit Respekt und Anstand behandeln oder mich zumindest in Ruhe lassen. Sie müssen mich nicht anschauen, wenn sie es nicht aushalten. Leute anzupöbeln und auszulachen, weil sie etwas nicht sind, nicht können oder nicht haben, was der Mainstream als normal versteht, in der Warteschlange vor der Kassa jemanden anzufahren, in der vollen Ubahn jemanden anzurempeln, Dicke als Ekelpakete angewiedert anzustarren, Frauen zu objektifizieren und zu sexualisieren, Behinderte als bemitleidenswerte Kreaturen entweder zu ignorieren oder zu bevormunden, den Blickkontakt mit People of Colour zu meiden, Menschen mit Mitgrationshintergrund in gebrochenem Deutsch anzusprechen - das alles ist nicht respektvoll und anständig. Es macht klein, es beschämt, es tut weh, es kränkt, es macht unsichtbar, manchmal auch viel zu sichtbar. Den Rest meines Heimweges hatte ich mein Tuch umgebunden, dadurch habe ich mich beschützt und sicher gefühlt. Und ich bin wieder bei mir angekommen.
Heute spüre ich wieder meine Wut und ich bin so froh darüber! Ich bin bin froh, dass ich ein Netzwerk habe, das mich hält und mich liebt wie ich bin und meine Extravaganzen als Bereicherung versteht. Ich bin froh, dass ich keine dieser kleinkarierten, bornierten, hasserfüllten und gemeinen Menschen brauche, will oder habe.
Ich nehme meinen fetten, schwabbeligen Körper packe ihn in ein Kleidungsstück, das mir gefällt (oder auch nicht, wenn ich so will!), Querstreifen, Riesenpunkte, kurz bis zum Po oder ausgeschnitten bis zum Bauchnabel, haarige Beine wenn ich´s so mag, BH-frei wenn sich´s gut anfühlt für mich und raus damit!! Ich schulde niemandem irgendwas.
Der gestrige Abend hat mir gezeigt wie schwer es ist bei sich zu bleiben, wie weit ich schon gekommen bin und wie schön es ist, sich im eigenen Körper ein Zuhause zu machen. Wie immer ihr euch wohl fühlt in bestimmten oder ohne Klamotten, own it! Es ist euer Körper, euer Wohlbefinden, euer Stil, euer verdammtes Recht so rumzulaufen wie ihr wollt! Gerade jetzt im Sommer ist das eine große Herausforderung immer bei sich zu bleiben, finde ich. Genießt eure Körper mit allem was sie haben und sind! Jeder eurer Körper ist wunderbar. Ihr habt Atem in euren Lungen, Blut in euren Adern, Liebe in eurem Herzen – das Leben ist einmalig, schön und ihr verdient es zu genießen! Und morgen wenn ich zur Arbeit geh, werde ich genau das tun: ich werde tief einatmen, meinen Körper durch die Stadt tragen und mich wohl damit fühlen. So far so good. Der nächste Beitrag kommt bestimmt.

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